Lieber Westen.
Dieser Blog trägt den aussagekräftigen Titel "Eastplaining" und war auch ursprünglich genau in diese Richtung orientiert. Wir wollten erklären, was der Westen vielleicht nicht versteht, wir wollten uns zu Ost-Perspektiven äußern. Seitdem haben wir hier viel geschrieben und diesen Blog auch als einen Raum genutzt, um eine persönliche und teils schmerzhafte Auseinandersetzung mit unserer eigenen Herkunft durchzuführen (siehe unten). Wir haben aber auch schon oft dazu gesprochen und geschrieben, dass wir nicht zu Erklärbären für einen Westen gemacht werden wollen, der es jahrzehntelang nicht geschafft hat, sich für den Osten zu interessieren. Wir wollen den Osten nicht häppchenweise verfüttern und dann zur Verfügung stehen, wenn der Westen mal Lust drauf hat, sondern wir wollen ihn und seine Diskurshoheit herausfordern.
In den letzten Tagen ist dies wieder einmal aktueller als je zuvor. Man erklärt anderen und sich selbst, warum "der Osten nach wie vor anders ist", wie diese Wahl zu deuten sei, was getan werden muss, damit sich etwas ändert. Ich will nicht von anderen zum Ossi gemacht werden. Ich will nicht erklären müssen, und genau deswegen tue ich es jetzt, selbstbestimmt, ein kurzer Abriss der Ost-West-Debatte, auf den ich in Zukunft verweisen kann, wenn ich so wie aktuell einfach nicht die Kraft habe, das ganze Spiel mit dem Osten und dem Rechtspopulismus aufs Neue durchzuspielen. Ich erhebe keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern verweise auf Steffen Mau, Raj Kollmorgen, Valerie Schönian und ja, letztendlich auch auf Dirk Oschmann. Ein wenig Eigenverantwortung bleibt an Dir hänge, lieber Westen.
Stell Dir vor, Du lebst in einer Gesellschaft. Stell Dir vor, Du lebst in einer Gesellschaft, in der Stabilität lange, lange an der Tagesordnung war, bevor Instabilität folgte. "Wir hatten ja nichts" als humoristische Anspielung auf die Vergangenheit, und es hatten tatsächlich viele lange nichts, sowohl vor als auch nach der Mauer. Einkommenssicherheit ist die Priorität, die Jugend lernt das schnell, von einem Job leben können das einzig Wichtige. Jobs und Qualifikationen, die mit viel Mühe und in vielen Fällen mit viel Ideologie erlernt wurden, werden hinfällig - Geschichtslehrer*in, Jurist*in, das sind auf einmal nutzlose Betätigungen. Für die einen ist Nicht-Arbeiten überhaupt keine Option, sondern steht absolut außer Frage, für die anderen ist es die einzige Lebensrealität, weil es für die Eltern keine Jobs gab und die Großeltern schon in den Neunzigern ihre Arbeitsstelle verloren haben. Treuhand, Dir hat vorher nichts gehört, aber jetzt halt auch nicht. Du wolltest Selbstbestimmung, Du erhofftest sie Dir von einem Grundgesetz und einer neuen Währung, aber Du musst in einem neuen System mit neuen Leuten, die den Ton angeben, erst mal selbst über Wasser bleiben. Der Fachbegriff dafür ist Transformationserfahrung, aber den Begriff kennst Du nicht und es würde Dir auch nicht viel bringen, ihn zu kennen.
Stell Dir vor, die Instabilität ist schon wieder halbwegs überwunden
geglaubt, da gibt's auf einmal neue Instabilität. Krise, Krise, Krise,
teuer, teuer, teuer. Du hast nicht wirklich viel Geld zur Verfügung, Du fährst nicht wirklich oft in den Urlaub, Du sollst eine Wärmepumpe
einbauen. Du findest Dich damit ab und setzt Dich mit dem Thema
auseinander, oder Du wirst vielleicht wütend. Du schaust in Richtung
Westdeutschland - geht's denen da irgendwie besser als Dir? Du vergleichst Deinen Anteil am Reichtum und hättest gerne mehr davon.
Du hast Kinder. Die stehen irgendwann vor Entscheidungen, wo Ausbildung machen, wo studieren? Vielleicht geht man doch in den Westen? Ja, das tut man, Frauen überproportional oft. Du lebst jetzt in einer Gesellschaft, die einen europaweit einzigartigen Männerüberschuss hat, dazu kommt noch die Überalterung, denn nach 1990 hat der Osten eine unglaubliche Abwanderungswelle erlebt, die immer noch nicht vorbei ist. Junge, gut ausgebildete Leute gehen weg und kommen nicht wieder. Frauen heiraten in den Westen und kommen nicht wieder. Kinder werden weniger zahlreich. Soziales Engagement, was im Westen der BRD eine lange Tradition hat, ist hier weniger stark verankert, Gewerkschaften und Parteien fehlen. Die Kleinstädte sterben aus, vielleicht macht die Schule zu, an der Deine Kinder lernen sollen. Du bist isoliert, es fehlen Perspektiven. Nicht nur Perspektiven für die Zukunft, sondern auch Perspektiven von anderen.
Stell Dir vor, Du lebst im ländlichen Raum, der ist im Osten nicht allzu schwer zu finden. Fährt jede Stunde ein Bus? Nein, aber jede zweite, und auch nur unter der Woche, und auch nur im Sommer. Deine Kinder wachsen in der kleiner werdenden Dorfjugend auf, es gibt vielleicht noch eine Freiwillige Feuerwehr, das war es dann auch schon. DDR-Mopeds werden repariert. Bier wird getrunken, Dorfleben halt. Es gibt eine klare Trennung zwischen denen, die in die benachbarte Oberschule gehen und denen, die drei Städte weiter aufs Gymnasium gehen. Die, die aufs Gymnasium gehen, sind irgendwann weg, das ahnen alle schon früh. Deine Kinder kommen nach Hause, bringen aus ihren Freundesgruppen Ost-, Ost-, Ostdeutschland-Rufe mit, ein paar Jahrzehnte später. Die Jungs werden rechter, die Mädchen linker, und ziehen weg. Auf Fleisch verzichten sollst Du, und Zug fahren, was einfacher wäre, wenn das Zugnetz nach der Wende nicht zurückgebaut worden wäre. Arbeit in Kohletagebauen, vielleicht Dein Lebenswerk oder das Deines Vaters, ist verschrieen und nichts mehr wert. Auf den Schulhöfen finden sich wieder Parolen, Deine Kinder werden vielleicht irgendwann in einer Statistik zu Radikalisierung unter ostdeutschen Jugendlichen mitgezählt. Deutscher Nationalismus wird zu ostdeutschem Nationalismus und wieder zu deutschem. Leerstand. Deindustrialisierte Industriegelände. Wohnblock-Ästhetik, die alle hässlich finden und die doch, findest Du, einen ganz eigenen Charme hat, und was maßen sich diese Wessis überhaupt an, Hässlichkeit zu definieren, als würde sie ihnen gehören? DDR-Rezepte werden weitergekocht. Dir geht es eigentlich gut, absolut gesehen. Relativ gesehen sieht das ein wenig anders aus. Was singen Kraftklub, was wie so oft eine Selbstwahrnehmung Richtung Osten ist, aber gleichzeitig eine demonstrativ süffisante Ost-Inszenierung in Richtung Westen? Es ist nicht alles schlecht, aber viel mehr als woanders.
Stell Dir vor, Du hast Deine Kindheit damit verbracht, zu wissen, was Du in der Schule nicht erzählen darfst. Oder Du hast Deine jungen Jahre damit verbracht, immer besonders höflich zu dem einen Nachbarn zu sein, der den ganzen Tag zu Hause ist und es schafft, alle anderen Bewohner*innen im Auge zu behalten; Du hoffst, dass er Deinen Fernseher nicht hören kann. Oder Du hast irgendwann nach 1990 eine Akte beantragt und seitdem mit einem Familienmitglied nicht mehr geredet. Du wolltest eigentlich nur in Ruhe gelassen werden und findest Dich wieder in einem Staat, der vieles kann, aber seine Bürger*innen in Ruhe zu lassen, gehört nicht dazu. Auf einmal ist da wieder ein Big Brother, denkst Du, ein Staat, der Kontrolle ausüben will, und was dann passiert, ist eigentlich fast schon eine Instinktreaktion, die ein früher erfahrenes Trauma in Dir hinterlassen hat. Vielleicht bist Du auch aufgewachsen in einer Propagandamaschine und vielleicht haben selbst Deine nach 2000 geborenen Kinder noch russische Kinderbücher in deutscher Übersetzung im Regal stehen, mit Staatsbezeichnungen drin, die es nicht mehr gibt. Russland ist Freund und nicht Feind, das kann tief sitzen. Du rufst nach Frieden.
Stell Dir vor, Du lebst in einem Land, in dem Du Dich selbst 35 Jahre
nach Deinem Beitritt zu diesem Land immer noch als "Bürger zweiter
Klasse" fühlst. Und die Zahlen geben Dir vielleicht sogar Recht. Der Elitenaustausch nach 1990 hat bis heute Konsequenzen, in Regierungen, in Gerichten, in Hochschulen und Universitäten, in Firmen, beim Wohneigentum, ganz besonders in Großstädten. Was heißt das konkret? Die Brandenburger Bevölkerung hat zu über drei Vierteln eine ostdeutsche Biographie, während die Brandenburger Führungskräfte in der Landesregierung zu über zwei Dritteln eine westdeutsche hat. Der Elitenmonitor 2023 sagt Dir dies: "Bei Neubesetzungen wurden von Westdeutschen 2018 eingenommene Positionen bis 2022 nur zu 8,1% mit Ostdeutschen neu besetzt, von Ostdeutschen 2018 eingenommene Positionen hingegen zu 53,9% von Westdeutschen." Was heißt das für Dich? Dass Du die Stelle nicht bekommst, die das höhere Gehalt verspricht. Dass Du keine Chancen hast, in diese Netzwerke reinzukommen. Dass Du zurücksteckst, und vielleicht gleich noch einmal.
Der Osten selbst gehört zu einem Großteil nicht den Menschen, die dort wohnen. Die Einkommensungleichheit bleibt bestehen, und ja, die Lebenshaltungskosten sind im Osten auch niedriger, aber während im Westen angespartes Vermögen vorhanden ist, erbst Du hier neunmal weniger. Die westdeutschen Medien schaffen es auch nach Jahren nicht, ohne Abfälligkeit oder Überheblichkeit über Dich zu berichten, dafür gibt es mittlerweile den schönen Begriff Safari-Journalismus. Du bist rückständig, rechtsradikal, zu nichts wirklich in der Lage, anders als der normale Westen. Wenn auf Instagram Infografiken zu Frauenrechten in Deutschland gepostet werden, dann steht da immer nur eine Jahreszahl und nur ein Mal das Wort Deutschland. Die DDR - da kannst Du Dich schon freuen, wenn es eine Fußnote gibt. Im EU-Fonds für Regionalentwicklung ist der Osten immer noch Übergangsregion.
Kann der Osten Demokratie? Nein, sagen die einen, er hat es nie gelernt, Diktatur folgte auf Diktatur; die wichtigen Fähigkeiten Kompromissbereitschaft, Komplexitätsbewusstsein und ja, vielleicht auch Resignation statt Wut bei wieder einmal nicht erfüllten Wahlversprechen, stecken nicht in den ostdeutschen Genen. Ja, sagen die anderen, der Osten kann Demokratie durchaus, der Osten hat sie sich selbst erkämpft, der Osten weiß, was Beteiligung bedeutet. Vielleicht kann der Osten Demokratie, sage ich, aber vielleicht wurde hier eine andere Art Demokratie gelernt als die bundesrepublikanische Sekundärdemokratie. Der Osten ist schneller auf der Straße. Der Osten hat bereits einen Systemwechsel durchgemacht, man ist weniger zimperlich, wenn es um einen weiteren geht.
Stell Dir vor, Du vermietest in einer Kleinstadt in Ostdeutschland eine Ferienwohnung. Einen Tag vor der Landtagswahl in Eurem Bundesland, die mit ihren diskursiven "Der Osten ist anders"-Begleiterscheinungen schon seit Wochen in Fernsehen und den sozialen Medien rauf- und runterdiskutiert wird, ruft Dich jemand an. "Ja, wir wollten uns mal in Ostdeutschland umschauen." Du lachst darüber, aber fühlst Dich ein bisschen wie im Zoo. Vielleicht hättest Du anbieten sollen, eine mehrstündige Führung zu machen, einen Ost-Crashkurs, Lernen Sie in einem halben Tag die rechte Seite der Republik kennen, heute zum Sonderpreis.
Das alles kann man versuchen, sich vorzustellen. Es ist anstrengend, aber notwendig. Aber wir kehren aus der Immersion zurück, lieber Westen. Was braucht der Osten von Dir? Der Osten hat gewählt, denkst Du jetzt vielleicht, und auch wenn ich mir diesen Text durchgelesen und versucht habe, mir all das vorzustellen, kann ich letzten Endes auch nichts ändern an den dreißig Prozent, die all diese Erfahrungen mitgenommen haben und daraus schlussfolgern, man müsse nun eine rechtsextreme Partei wählen.
Aber du kannst folgendes tun, lieber Westen. Du kannst Dich hinsetzen, einen Reflexionsprozess beginnen, und Dich fragen, ob Du schon einmal bewusst Deine Westperspektive in Frage gestellt hast. Du kannst in den Osten in den Urlaub fahren. Du kannst Geld spenden, an demokratische Projekte in Ostdeutschland. Du kannst Bücher lesen von Ost-Autor*innen, oder dich mit Ost-Geschichte nach 1990 auseinandersetzen. Du kannst die Leute aus dem Osten, die Du kennst, fragen, wie es Ihnen mit den aktuellen Entwicklungen geht - aber erwarte nicht, dass sie Dir einen Erklär-Service bieten, denn wie ich haben auch viele andere dafür aktuell keinen Raum und keine Kraft.
Du kannst die Entwicklungen in Ostdeutschland ernstnehmen und nicht als einfache Landtagswahlen irgendwo in der Provinz der Republik abstempeln, die eh keine politischen Konsequenzen haben werden. Auch das ist ein Zeichen westdeutscher Überheblichkeit - der Osten wird sowohl in seiner Positivität als auch in seiner Negativität unterschätzt. Verlass Dich darauf, dass es Konsequenzen geben wird, und verlass Dich darauf, dass der Zustand der Demokratie in Sachsen und Thüringen direkt etwas mit Dir zu tun hat. Du lebst im selben Land. Auch wenn es manchmal nicht den Eindruck macht.
Und wenn Du Leute in deinem Leben hast, denen es gerade schlecht geht, die Angst haben vor rechter Gewalt und vor den nächsten fünf Jahren, dann gestehe ihnen diese Angst zu und versuche bitte nicht, ihnen zu sagen, dass sie sich mal nicht so die Stimmung runterziehen lassen sollen. Glaub mir, diese Tage sind nicht einfach für uns.
Hanna
Lieber Osten.
Jede Wahl, jeder Angriff, jede hasserfüllte braune Predigt auf einem Görlitzer Marienplatz mit 900 Leuten davor, jedes "Es muss sich endlich was ändern" entfernt mich mehr von Dir.
Es wird nicht gleich passieren. Ich werde mich nicht morgen von hier abmelden, zum Amt gehen, einen westdeutschen Pass beantragen und mein Klavier ins Auto packen. Mein Abgang wird es nicht sein, der Dein Schicksal besiegelt. Das wird langsam passieren, stückweise. Die Wirtschaft wird nicht kollabieren. Aber diese Stelle wird unbesetzt bleiben, da schließt ein weiteres mittelständisches Unternehmen, der Bäcker gibt auch auf und meine Oma kriegt weiterhin weniger Rente als im Westen. Die Plakate an der B96 werden hängen, oh, sie werden sicher hängen bleiben, aber das bringt die Ärztin auch nicht ins Dorf und den Pfarrer nicht in die Kirche. Es wird nicht gleich passieren, aber die Hochschule vor Ort kriegt schon wieder einen Jahrgang nicht voll. Es wird nicht gleich passieren, aber das Theater macht endgültig zu und auf einmal hast Du niemanden mehr, den Du als Kulturelite beschimpfen kannst, aber vielleicht hast Du auch niemanden mehr, der Deine Zeitungen schreibt, Deine Krankheiten behandelt, Deine Kinder unterrichtet. Es wird nicht gleich passieren, aber Deine Nachbarn sind Anfeindungen ausgesetzt, ach, das wolltest Du ja nicht, denn die sind ja in Ordnung, das sind ja die Guten, es ging Dir ja nur um die Illegalen, aber ach, jetzt sind auch die Guten weggezogen. Die Nazis marschieren wieder durch die Orte, ohne Hemmungen und ohne Angst, und auch das wird nicht gleich passieren, aber Gott, es passiert ja schon längst.
"Es muss sich endlich was ändern" ist korrekt. Du musst Dich ändern. Du bist eine überalternde Gesellschaft, der die Frauen weglaufen und deren junge Generation verschwindet. Es ist nicht Politik, die Deine Probleme lösen wird, dieser vage, abstrakte Gesamtbegriff, es sind Menschen. Menschen, die Du nicht haben willst, die Du ablehnst. Sie sind nicht auf Dich angewiesen, aber Du auf sie. Es können noch so viele Gelder verteilt, noch so viele Buslinien geschaffen, noch so viele Studiengänge neu gegründet werden; wenn es niemanden gibt, der Dein Geld haben will oder Deine Busse fährt oder an Deinen Hochschulen studieren will, was dann? Sollen das Deine Kinder machen? Die Kinder, die an die Uni wollen, die die westdeutsche Großstadt einzusaugen droht, die ins Ausland gehen können, wenn sie es denn so wünschen?
Soll ich das machen? Ich, deren Werte Du mit Füßen trittst, der Du regelmäßig zeigst, dass sie und ihresgleichen hier nichts wert sind, deren Liebsten Du bedrohst? Wer sind ihresgleichen, fragst Du? Die Menschen, sag ich. Ich, die am Morgen nach der Wahl eine Freundin beruhigen musste, die sich vor der Ausweisung fürchtete?
Ich mach das nicht.
Ich hab sie mir gewünscht, die Option Zurückkommen, ich wollte mit Deinen Bussen fahren und Deinen Mopeds beim Fahren zusehen und abends obskure DDR-Filme im rbb anschauen und Deine Gesellschaft mittragen. Ein Stück meines Herzens liegt irgendwo in der Erde unseres ostdeutschen Grundstücks vergraben, mein Tribut an diese Gesellschaft, mitnehmen werde ich es nicht. Aber wenn Du mich nicht haben willst, lieber Osten, wenn Du mir ins Gesicht schreist, was du von mir und meinesgleichen hältst, wenn Du Deine Nazis laufen und Deine Menschen im Wohnzimmer sitzen lässt, dann sollst Du mich auch nicht haben. Dann kriegen mich andere, die sich mehr Mühe geben.
Ich kann Dir die Zahlen geben, lieber Osten, liebe Menschen in der ostthüringischen Provinz oder im toten Norden des LK Görlitz oder im Niemandsland der alten Kohlezone, die schon lange nicht mehr profitabel ist. Ich kann Euch genau sagen, warum Ihr benachteiligt seid und wie beschissen ich es finde, dass Ihr es seid. Ich hab's den Wessis oben auch gesagt. Aber vielleicht will ich das irgendwann nicht mehr.
Ich habe am ersten September 2024 den Fernseher abends angemacht und einen Faschisten im nationalen Fernsehen über Koalitionen reden hören, auf den verdammten Tag genau 85 Jahre nach dem deutschen Überfall auf Polen. Und Ihr, die schweigende Mehrheit, Ihr sitzt da, wo Ihr immer sitzt, Ihr sitzt in Eurem stillen Kämmerlein und schaut zu.
Ich hab meine rote Linie im Sand gezogen, und ich werd sie auch in Stein ritzen, wenn es das ist, was Ihr wollt. Aber sie bleibt da.
Hanna
Heute wie alle Tage:
Als die Nazis die Kommunisten holten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Kommunist.
Als sie die Gewerkschaftler holten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Gewerkschaftler.
Als sie die Juden holten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Jude.
Als sie mich holten, gab es keinen mehr, der protestieren konnte.
- Martin Niemöller
So schön geschrieben. Ich habe mich beim Lesen selbst dabei ertappt, wie ich doch noch Stereotype bediene, wenn es um Diskurse um "Ostdeutschland" geht. Vielen Dank für die neue Perspektive! Ich hoffe, viele andere Menschen lesen diesen Text und lernen dabei ein Stück über die Tiefe dieses "Ost-West-Problems" in Deutschland, das weit über irgendwelche Parolen oder teils herablassenden Witze hinausgeht, – und auch über sich selbst. Den Reflexionsprozess habt ihr in mir damit jedenfalls ausgelöst.
AntwortenLöschenHey, das freut uns wirklich total zu hören, dankeschön! Genau für solche Momente und solche Austausche machen wir das hier so gerne :) Deswegen bedeutet es uns auch immer sehr viel, wenn Leute dieses Projekt hier cool finden und unterstützen - also vielen lieben Dank dafür!
LöschenDie Versuche, die wirklichen Probleme im Osten zu thematisieren, sind seit den 1990ern immer wieder gescheitert. Früher prallten sie einfach an den Leserbriefredaktionen der westdeutsch dominierten Medien ab, heute tun sie das zwar immer noch, aber immerhin bietet das Internet mehr Möglichkeiten, was das Ignorieren nicht mehr ganz so einfach macht. Viel Erfolg mit diesem Blog - einen (weiteren) Anlauf ist es allemal Wert.
AntwortenLöschenhttps://s-e-i.ch/Projects/FiscalPolicy/Gelegenheiten.htm