Zum Stand der deutschen Einheit

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In diesem Beitrag haben wir vor ein paar Monaten über N5 berichtet.

In den letzten drei Tagen (17.-19-10.) hat Bundespräsident Steinmeier Meiningen in Thüringen besucht. Er tut das im Rahmen einer Projektreihe, während welcher er Regionen des Landes besucht, die nicht im öffentlichen Interesse stehen, aber auf verschiedene Weise den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandel gestaltet haben. Dort trifft der Bundespräsident auf die Menschen vor Ort und unterhält sich mit ihnen. Das Konzept: "Demokratie braucht Austausch, Austausch braucht Nähe, Nähe braucht Begegnung und Begegnung braucht Zeit." Mehr zu diesem Besuch erfahrt ihr in diesem Artikel    
Insgesamt ist das nun der neunte Besuch dieser Reihe: der siebte in einer ostdeutschen Stadt. Das ist in diesem Sinne nicht überraschend, da gerade ostdeutsche Klein- und Mittelstädte nicht unbedingt im medialen Fokus stehen - außer, jemand von der AfD droht eine Kommunalwahl zu gewinnen. Aber im heutigen Beitrag soll es um das Positive gehen - ich finde, ein paar gute Nachrichten haben wir derzeit alle dringend nötig -, und zwar: was wird denn von der Bundesregierung aktiv getan, um die Unterschiede und Ungerechtigkeiten zwischen Ost und West zu überwinden? 

Kürzlich erschien der jährliche "Bericht zum Stand der deutschen Einheit", der vom Ostbeauftragten der Bundesregierung (derzeit Carsten Schneider, gebürtiger Erfurter) herausgegeben wird. Optimistisch hatte ich mir vorgenommen, diesen im Vorfeld zum Schreiben dieses Beitrags zu lesen und dann detailliert darüber zu reflektieren. Dabei hatte ich die Seitenanzahl doch ein wenig unterschätzt. Auf 176 Seiten wird in drei Teilen - A, B und C - dargelegt, wie es denn mit der deutschen Einheit 33 Jahre nach der Wiedervereinigung aussieht. Ich gebe an dieser Stelle zu, dass ich nicht alles gelesen habe, aber einen überblickhaften Eindruck konnte ich mir doch verschaffen, den ich gerne an all die weitergeben möchte, die sich nicht das gesamte Dokument geben wollen - oder vielleicht durch meine Zusammenfassung Lust bekommen, doch noch alles zu lesen.
Teil A präsentiert "wichtige Resultate und Entwicklungen des Regierungshandelns dieser Legislaturperiode mit besonderer Bedeutung für Ostdeutschland." Teil B umfasst Vorhaben und Pläne für urbane und ländliche Räume in Ostdeutschland, und bei Teil C handelt es sich um meinen Lieblingsteil: die Zahlen. 

Was wurde schon erreicht und woran wird wie noch gearbeitet? Die Antworten darauf finden sich in diesem Bericht. Ich muss wirklich sagen, dass ich positiv überrascht bin davon, wie detailliert gearbeitet wurde. Ja, man kann sich sicherlich mit gutem Recht über die Politik Ostdeutschland betreffend beschweren, aber trotzdem sollte nicht aus den Augen verloren werden, dass an einigen problematischen Aspekten durchaus gearbeitet wird. Im Bericht werden die Rentenangleichung, der eingerichtete Härtefallfonds, das Bürgergeld und die Mindestlohnerhöhung als Maßnahmen genannt, die insbesondere Menschen im Osten zugute kommen. Es können mehr Menschen Wohngeld beantragen und die Privatisierung von BVVG-Flächen (Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH) in Ostdeutschland wurde weitgehend beendet, stattdessen findet dort nun mehr Umwelt- und Naturschutz statt. Das Geld, welches Deutschland aus dem Europäischen Strukturfonds erhält, geht zu einem Großteil mit mehr als 10 Milliarden Euro nach Ostdeutschland. Damit soll der Strukturwandel aufgefangen und vollzogen werden. Ein Sonderkapitel widmet sich auch einem Zwischenfazit zum Strukturwandel in den Kohleregionen - gerade auch für uns aus der Lausitz interessant und relevant. Außerdem wurden durch die Ansiedlung von Bundeseinrichtungen 9600 neue Arbeitsplätze im Osten geschaffen. Gut, diese Ansiedlungen sollten schon vor langer, langer Zeit geschehen...aber besser spät als nie. Der Elitemonitor zeigt den Zwischenstand der Initiative "Mehr Ostdeutsche in Führungspositionen" - immer noch sehr wenige, das Wachstum ist gering, aber positiv. Dieser Teil A des Berichts hat mich wirklich hoffnungsvoll und freudig gestimmt, weil er zeigt, dass auch die Bundesregierung und der Ostbeauftragte nicht im Stillstand verharren und die Probleme nicht nur anerkennen - was gesellschaftlich ja nicht einmal immer der Fall ist -, sondern auch an Lösungen arbeiten und kleine Schritte in die richtige Richtung gehen. 

Teil B befasst sich mit den Problemlagen und Lösungsstrategien. Mit einem Blick auf die demographische Situation Ostdeutschlands wird die Wichtigkeit der Fachkräftesicherung erkannt und klar benannt, dass zwischen ost- und westdeutschen Bundesländern weiterhin "deutliche Unterschiede hinsichtlich des Lohnniveaus, der Betriebsstruktur, des Arbeitsvolumens und der demografischen Entwicklung einschließlich Zuwanderung" bestehen. Als Reaktion darauf werden gute Löhne, attraktive Arbeitsbedingungen, bessere Vereinbarung von Familie und Beruf und weitere klassische Maßnahmen genannt, die sehr allgemein formuliert sind, aber auch konkrete Pläne wie die Modernisierung von Wohnheimplätzen in Auszubildenden- und Studierendenwohnheimen, Angebote und Möglichkeiten der Nationalen Online Weiterbildungsplattform (NOW, das Projekt soll bis 2025 umgesetzt werden) und der Innovationswettbewerb INVITE. Auch das gemeinschaftliche Zusammenleben von älteren Menschen und dessen Wahrnehmung wird thematisiert; dort zeigen sich erfreuliche Zahlen für den Osten, was den Verlass auf die Nachbarschaft betrifft. Im Gegensatz dazu steht die Digitale Teilhabe: Nur 72% der Personen über 60 in Ostdeutschland sind online, 83% jener in Westdeutschland. Ein daran anknüpfendes Projekt ist DigitalPakt Alter. Was den Gender Pay Gap betrifft, so ist er im Westen mit 19% deutlich größer als im Osten mit 7%. Im Osten besuchen prozentual betrachtet mehr Kinder Kitas als im Westen, der Bedarf wird dennoch nicht gedeckt, und es werden Vorschläge für den Kitaausbau gemacht. Der Bericht informiert auch über Fördermöglichkeiten für ländliche Regionen und gibt Hinweise dazu. Die Gesundheitsversorgung, auf dem Land, gerade im Osten, oft ein schwieriges Thema, wird explizit unter die Lupe genommen und es werden Pläne zur besseren Krankenhaus- und ambulanten Gesundheitsversorgung veröffentlicht. Auch hier spielt wieder die Bekämpfung des Fachkräftemangels eine wichtige Rolle. Die Digitalisierung wird als Chance für ländliche und strukturschwache Regionen wahrgenommen. Das Programm "Innovation und Strukturwandel" wird vorgestellt. Vier Programmlinien zielen auf den Ausbau von Forschung und Innovation in strukturschwachen Regionen im Rahmen der Zusammenarbeit mit Partner*innen, um Lösungen für regionale Herausforderungen zu finden und gemeinsam umzusetzen. 80% der Projekte werden in Ostdeutschland durchgeführt, insgesamt wurden schon 1500 Projekte mit 365 Millionen Euro bewilligt. Dieses Programm klingt wirklich sehr interessant, irgendwann werde ich mich noch genauer damit befassen! Der Bericht fokussiert sich im Teil B abschließend auf die digitale Infrastruktur sowie Energiewende und Klimawandel in Ostdeutschland, die weiterhin erfolgreiche Städtebauförderung in Ostdeutschland und das Engagement der Ostdeutschen, das sich dynamisch entwickelt. Auch Maßnahmen der politischen Bildung in Ostdeutschland werden vorgestellt, da kann man nur hoffen, dass diese nicht gekürzt, sondern eher noch erweitert werden. Es werden auch Projekte wie "Demokratie leben!" vorgestellt sowie die Erinnerungskultur und Gedenkstätten besprochen, die wichtige Orte der Demokratiegeschichte repräsentieren. Insgesamt haben mich die vielen Initiativen und Projekte im Teil B überrascht, denn von einigen hatte ich noch nicht so viel gehört. Es freute mich aber, davon zu lesen und zu sehen, dass einige davon bereits sehr erfolgreich sind und andere auf alle Fälle den Anschein erwecken, ein großes Potenzial in sich zu bergen und sehr erfolgreich zu werden. 

Teil C umfasst die Wirtschaftsdaten für Ostdeutschland. Da werden beispielsweise das Bruttoinlandsprodukt, die Bruttowertschöpfung, die Arbeitsproduktivität und die Investitionen in der Gesamtwirtschaft dargestellt. Hach, Zahlen und Wirtschaftsstatistik, das zählt beides zu meinen Lieblingsbereichen. Weil ich aber weiß, dass es vielen anders geht, verweise ich hier auf den Bericht, den man sich hier kostenlos herunterladen kann - Teil C beginnt auf Seite 140. Nur soviel: Ja, es sieht im Osten wirtschaftlich weiterhin schlechter aus als im Westen. Dennoch habe ich nach der Lektüre dieses Berichts ein etwas besseres Gefühl - gerade auch, weil ich den von letztem Jahr gelesen habe und sehe, dass sich etwas getan hat. 

Warum habe ich diesen Beitrag mit Steinmeiers Besuch in Meiningen eröffnet? Weil ich diesen Besuch für sehr wichtig halte. Ja, in drei Tagen lässt sich natürlich nicht alles sehen und verstehen, und doch bewegt sich der Bundespräsident aus seinem Schloss und Amtssitz heraus in andere Realitäten. Nicht nur für ihn sind diese Begegnungen wichtig, sondern auch für die Menschen in Meiningen und in Thüringen. Denn dieser Besuch ist ein Zeichen. Und Zeichen sind es, was die Gesellschaft oftmals braucht, natürlich auch verbunden mit konkreten Handlungen, aber hier wird schon einmal signalisiert: der Staat, der Bundespräsident interessiert sich für euch und will selbst sehen, wie die Lage ist.  Viele Menschen, gerade im Osten, geben an, das Gefühl zu haben, der Staat würde sich nicht für sie interessieren. Ich glaube wirklich, dass diese Besuchsreihe eine wichtige und schöne Aktion ist, um mit den Menschen ins Gespräch zu kommen. Und ich hoffe natürlich, dass diese Besuche schließlich in konkreten Handlungen resultieren.     

Neben aller berechtigten Kritik an der Politik der vergangenen 33 Jahre in Bezug auf die "deutsche Einheit" wollte ich in diesem Beitrag darauf aufmerksam machen, was die Bundesregierung aktuell tut, um die Teilung zu überwinden. Ein weiterer Teil, in welchem ich zivile Einrichtungen und Projekte vorstelle - vermutlich sogar mehrere Teile - folgen natürlich noch! Heute wollte ich einfach nur mal zeigen, gerade angesichts der vielen tragischen Ereignisse in der Welt, dass die Politik in diesem Bereich tatsächlich gute Dinge tut, und nicht in jedem Fall am Wohl der Menschen vorbeiregiert. Natürlich gibt es da noch sehr viel Luft nach oben, natürlich haben wir das Gefühl, es müsste alles schneller gehen, aber: jeder dieser Schritte ist ein kleiner Schritt nach vorne. Und irgendwo muss angefangen, oder wohl eher: weitergemacht werden. 

Weronika

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