Gedenkstätten - ein wichtiger Teil der Erinnerungskultur

Ende Februar hatte ich mal wieder die Gelegenheit, die Gedenkstätte in der Andreasstraße in Erfurt zu besuchen. Und zwar dieses Mal mit Leuten, die nicht im Osten aufgewachsen sind und für die es das erste Mal war, ein ehemaliges Gefängnis, das auch von der Stasi genutzt wurde, von innen zu sehen. Die Reaktionen waren sehr ähnlich: Schock, Unverständnis, Bestürzung, aber insbesondere: Verwunderung über die eigene Ahnungslosigkeit. Viele hatten sich bis dato keinerlei Gedanken über dieses Thema gemacht oder höchstens mal davon gehört, dass es in der DDR politische Gefangene gab. Nach dem Besuch empfanden sie es als sehr lehrreich, diese Möglichkeit gehabt zu haben. Und mir fiel wieder auf, was für eine wichtige Rolle Gedenkstätten für unsere Erinnerungskultur spielen.     

Es gibt zahlreiche davon. Jede Diktatur, die ein Ende fand, wird (mal mehr, mal weniger gut) aufgearbeitet, und dazu gehört das Erinnern an ihre Opfer. Dieser Beitrag soll sich speziell den Gedenkstätten widmen, die sich mit Opfern der SED-Diktatur auseinandersetzen - ohne dabei andere zu unterminieren oder gegeneinander aufzuwiegen.     
Die DDR war ein Unrechtsstaat. Während viele sich darin einrichteten und ein "gerechtes Leben in einem ungerechten System" aufbauten, so waren sie doch der Willkür der autoritären Diktatur ausgesetzt. Wer sich nicht anpasste, dem wurden schulische und berufliche Aufstiegsmöglichkeiten verwehrt, die wurde bespitzelt und bedrängt, dessen Familie musste mit Repressalien rechnen. Vielen Menschen wurde die Freiheit, über ihr eigenes Leben bestimmen zu können, entzogen. Wer einen Ausreiseantrag stellte oder mit einer Flucht aus der DDR scheiterte, konnte genauso im Gefängnis landen wie jemand, der einen Mord beging. Die Methoden in den Stasi-Gefängnissen basierten auf Zermürbung: stundenlange Verhöre, stündliches Aufwecken, Sitzverbot, Singverbot, Kontaktverbote nach außen, winzige oder gar keine Fenster, Isolationszellen. Und an dieser Stelle muss daran erinnert werden, dass sich die Verhältnisse in den Jugendwerkhören - über die wir in einem Beitrag berichtet haben und über die wir in einem anderen Beitrag mit der Autorin Grit Poppe sprachen - kaum davon unterschieden. Auf psychologische Hilfe nach der Entlassung durften die Insassen natürlich nicht hoffen. Bis heute sind viele ehemalige Häftlinge traumatisiert und haben Schwierigkeiten damit, sich im Leben zurechtzufinden. Nach 1990 mussten sie sich erst einmal rehabilitieren - ein Prozess, der viele Jahre gedauert hat. Inzwischen existieren mehrere Gedenkstätten für die Opfer der SED-Diktatur, aber ich habe das Gefühl, dass sie noch nicht so bekannt sind, wie es sein sollte. Da ich in Görlitz aufgewachsen bin, war es selbstverständlich, dass wir eine Exkursion ins "Gelbe Elend" in Bautzen unternahmen - ein weiteres ehemaliges Stasi-Gefängnis. Aber viele, viele, viele, nicht im Osten aufgewachsene Menschen, mit denen ich gesprochen habe, hatten noch nie eine solche Gedenkstätte betreten. Deshalb möchte ich heute ein vier Gedenkstätten exemplarisch vorstellen und alle dazu anregen, sich wenigstens eine davon einmal anzusehen. 

Gedenkstätte Andreasstraße

Die Gedenkstätte Andreasstraße in Erfurt befindet sich in einem ehemaligen Stasi-Gefängnis, das während der Zeit der deutschen Teilung von 1949 bis 1990 in Betrieb war. Sie erinnert an die Opfer politischer Verfolgung und Repression während der DDR-Diktatur. Das Gefängnis in der Andreasstraße war eines von vielen in der DDR, das von der Staatssicherheit genutzt wurde, um Regimegegner, Dissidenten und andere politische Gefangene einzusperren und zu überwachen. Viele Menschen wurden dort unter unmenschlichen Bedingungen festgehalten, gefoltert und psychologisch misshandelt. Die Gedenkstätte Andreasstraße wurde 1994 eröffnet und dient heute als Ort des Gedenkens, der Aufklärung und der historischen Bildung. Besucher*innen können die Zellen besichtigen, in denen politische Gefangene eingesperrt waren, sowie Ausstellungen über die Geschichte der Stasi und die Erfahrungen derjenigen, die unter ihrem Regime gelitten haben. Der Eintritt kostet 2€/1€, man kann aber auch eine Führung für eine größere Gruppe buchen. Es lohnt sich auf alle Fälle. Die Website der Gedenkstätte Andreasstraße findet ihr hier. 

Gedenkstätte Bautzen

Die Gedenkstätte Bautzen befindet sich in der Stadt Bautzen in Sachsen und ist eine Erinnerungsstätte an das ehemalige Bautzen II-Gefängnis, das während der Zeit der deutschen Teilung von 1949 bis 1989 als zentrales Gefängnis der DDR für politische Gefangene diente. Das Gefängnis wurde von der Staatssicherheit betrieben und war berüchtigt für seine brutalen Haftbedingungen und die systematische Unterdrückung jeglicher Opposition gegen das kommunistische Regime. Die Gedenkstätte Bautzen hat zum Ziel, die Erinnerung an die Opfer politischer Verfolgung während der DDR-Diktatur wach zu halten und das Bewusstsein für die Folgen von Diktatur und Unrecht zu schärfen. Sie dokumentiert die Geschichte des Gefängnisses, zeigt die Haftbedingungen und die Methoden der Verhöre durch die Staatssicherheit auf und erinnert an die Schicksale der Menschen, die dort gelitten haben. Besucher*innen der Gedenkstätte können das ehemalige Gefängnis besichtigen, das heute als Museum und Gedenkort dient. Es gibt Ausstellungen über die Geschichte der politischen Verfolgung in der DDR, über das Leben der Insassen und über die Arbeit der Staatssicherheit. Auch Gedenkveranstaltungen, Vorträge und Bildungsprogramme werden angeboten, um das Verständnis für die Vergangenheit zu vertiefen und die Bedeutung von Freiheit und Demokratie zu betonen. Der Eintritt ist kostenlos; Führungen finden jeweils um 11 und 14 Uhr statt. Die Website der Gedenkstätte Bautzen findet ihr hier. 

Gedenkstätte Geschlossener Jugendwerkhof Torgau

Die Gedenkstätte Jugendwerkhof Torgau erinnert an die Geschichte des Jugendwerkhofs in Torgau, der während der DDR-Zeit als Zwangseinrichtung für Jugendliche diente. Der Jugendwerkhof war eine Art Internat, das Jugendliche aufnehmen sollte, die als "abweichendes Verhalten" eingestuft wurden, sei es aufgrund von politischen Ansichten, sozialem Verhalten oder anderen Gründen, die von den Behörden als problematisch angesehen wurden. In der Praxis wurden viele Jugendliche in den Jugendwerkhof geschickt, weil sie sich dem sozialistischen System der DDR widersetzten oder als unangepasst galten. Die Bedingungen in diesen Einrichtungen waren oft streng, und es gab Berichte über Misshandlungen und psychologische Gewalt gegen die Insassen. Die Gedenkstätte Jugendwerkhof Torgau dokumentiert die Geschichte dieser Zwangseinrichtung und erinnert an die Schicksale der Jugendlichen, die dort untergebracht waren. Sie bietet Besucher*innen die Möglichkeit, sich mit diesem dunklen Kapitel der DDR-Geschichte auseinanderzusetzen und die Folgen von politischer Repression und Unterdrückung auf das Leben junger Menschen zu verstehen. Die Gedenkstätte organisiert regelmäßig Ausstellungen, Führungen und Bildungsprogramme, um das Bewusstsein für die Geschichte des Jugendwerkhofs zu schärfen und sicherzustellen, dass die Opfer nicht vergessen werden. Sie spielt eine wichtige Rolle bei der historischen Aufarbeitung der DDR-Zeit und bei der Förderung von Demokratie, Menschenrechten und Toleranz. Der Eintritt ist frei, organisierte Gruppenführungen können angefragt werden. Die Website der Gedenkstätte Geschlossener Jugendwerkhof Torgau findet ihr hier. 

Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen

Die Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen ist eine historische Gedenkstätte in Berlin, die an das ehemalige zentrale Untersuchungsgefängnis des Ministeriums für Staatssicherheit (Stasi) der DDR erinnert. Das Gefängnis wurde während der Zeit der deutschen Teilung von 1951 bis 1989 genutzt und war berüchtigt für seine brutalen Haftbedingungen und die systematische politische Verfolgung von Regimegegnern, Dissidenten und anderen Oppositionellen. Die Gedenkstätte befindet sich im Gebäudekomplex der ehemaligen Haftanstalt und umfasst eine Ausstellung, die die Geschichte des Gefängnisses, die Methoden der Verhöre und die Schicksale der Gefangenen dokumentiert. Besucher*innen können durch die Zellen und Verhörräume gehen und mehr über die grausamen Praktiken erfahren, die von der Stasi angewendet wurden, um Geständnisse zu erzwingen und Dissidenz zu unterdrücken. Die Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen dient heute als Ort des Gedenkens, der Aufklärung und der historischen Bildung. Sie bietet Führungen, Workshops und Bildungsprogramme an, um das Bewusstsein für die Geschichte der DDR-Diktatur zu schärfen und die Bedeutung von Demokratie, Menschenrechten und Freiheit zu betonen. Die Gedenkstätte spielt eine wichtige Rolle bei der Erhaltung des kulturellen Erbes und der Erinnerung an die Opfer politischer Repression während der DDR-Zeit. Sie ist ein bedeutender Ort für die historische Aufarbeitung der deutschen Geschichte und ein Symbol für den Kampf gegen Diktatur und Unterdrückung. Der Eintritt kostet 8€/4€, auch Gruppenführungen können im Voraus reserviert werden. Die Website der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen findet ihr hier. 

Natürlich gibt es noch viele weitere Gedenkstätten, die sich mit den Opfern der SED-Diktatur befassen. Zum Beispiel die Gedenkstätte Lindenstraße in Potsdam, ebenfalls ein ehemaliges Stasi-Gefängnis. Oder die Gedenkstätte Berliner Mauer, die über jene informiert, denen die Flucht nicht geglückt ist und für die sie teilweise tödlich endete. Auch das Museum in der Runden Ecke in Leipzig, das sich mit der Stasi und ihren Opfern befasst, ist sehr empfehlenswert. Ihr könnt euch ja mal durch die Links klicken und schauen, welche Gedenkstätte ihr besuchen möchtet. Nehmt gerne jemanden mit, der noch nicht so viel Ahnung vom Thema hat - man kann immer etwas dazulernen!

Für mich zeigen die Reaktionen, die ein Besuch einer Gedenkstätte bei den Menschen hervorruft, warum das alleinige Lesen und Lernen über solche historischen Ereignisse nicht ausreicht. Gedenkstätten verdeutlichen physisch, welches Unrecht den Menschen angetan wurde. In einer der Isolationszellen zu stehen und zu merken, wie kaum noch ein Ton aus dem Flur durch die geöffnete Tür hindurchdringt und sich dann vorzustellen, wie es gewesen sein muss, stundenlang ohne Licht in einem solchen Raum eingesperrt zu sein, ruft ganz andere Gefühle hervor, als sich einen Artikel darüber durchzulesen oder im Geschichtsunterricht davon zu hören. Gedenkstätten bewegen dazu, uns noch intensiver mit den Ereignissen auseinanderzusetzen. Wir verstehen danach hoffentlich besser. Wir sind sensibilisiert. Wir lernen daraus. Und wenn in der heutigen Zeit politische Gefangene in anderen Ländern "in Haft versterben", können wir das einordnen. 

Meine Botschaft: Besucht Gedenkstätten, nehmt möglichst viele Bekannte mit und setzt euch mit der Geschichte auseinander. Wenn ihr Lehrer*innen seid: Organisiert Exkursionen zu Gedenkstätten. Das Unrecht, das damals geschehen ist, verdient unsere Aufmerksamkeit. 

Weronika

P.S.: viele Gedenkstätten bieten auch ein umfangreiches und abwechslungsreiches Programm und laden z.B. Zeutzeug*innen ein. Informiert euch dazu gerne auf der jeweiligen Website! 

Kommentare